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Evie Sullivan
Los Angeles

Gespräch mit Gottfried Helnwein:


1. Sie zeigen zum ersten Mal eine Retrospektive Ihres Werkes in einem Museum in Österreich. Warum erst jetzt ?

Helnwein: Abgesehen von einer Installation 1999 in der Dominikanerkirche in Krems, war meine letzte Einzelausstellung in Österreich in der Albertina 1985, kurz bevor ich das Land verlassen habe. Seitdem ziehe ich mit meiner kleinen Zigeunerfamilie durch die Welt, wir lassen uns irgendwo für einige Zeit nieder und nach ein paar Jahren brechen wir in der Regel wieder auf und ziehen weiter.

Derzeit lebe ich in Irland und den USA, wo ich meistens ausstelle. Zuletzt hatte ich unter dem Titel "The Child" eine one man show im San Francisco Fine Arts Museum, die von ca. 130 000 Leuten gesehen wurde.

Vor ca 2 Jahren hat mich Stella Rollig die Leiterin des Lentos Museums kontaktiert und gefragt, ob ich in Ihrem Museum ausstellen will. Ich halte das Lentos für eines der interessantesten europäischen Museen für zeitgenössische Kunst und daher wollte ich. - Die meisten Leute in Österreich kennen ja nur meine frühen Arbeiten aus den 70er Jahren, so dass es eine gute Gelegenheit ist etwas von dem zu zeigen, was inzwischen passiert ist.

2. Sie haben Österreich Mitte der 80iger-Jahre verlassen. Gibt es noch immer Einflüsse in Ihrer Arbeit, die auf Ihre Wiener Wurzeln zurückgehen?

Helnwein: Jeder Künstler wird durch seine Zeit, die Umgebung, und die Gesellschaft in der er lebt, bis zu einem gewissen Mass geprägt, und sei es dadurch wie er sich mit seiner Arbeit dagegen wehrt. Ich bin im Wien der Nachkriegszeit aufgewachsen und habe einen grossen Teil meines Lebens hier verbracht und natürlich ist meine Arbeit zutiefst in der österreichischen Kulturtradition verwurzelt. Das wird sich auch nicht mehr ändern. In der Regel gelte ich als österreichischer Künstler, obwohl ich in der Presse oft als German artist bezeichnet werde.

3. Sollen die 40 Werke, die Sie in Linz ausstellen, Ihren Ruf als "Schockkünstler" ein wenig rehabilitieren?

Helnwein: Ich habe schon vor langer Zeit aufgehört, mich um meinen Ruf zu kümmern.

4. Was überrascht Sie am meisten an der neuen österreichischen Kunstszene?

Helnwein: Ich weiss zu wenig von der österreichischen Kunstszene um von ihr überrascht zu sein.

5. Wie ordnen Sie sich selbst in dieser Szene ein?

Helnwein: Gar nicht. Ich war immer ein Einzelgänger und habe niemals zu irgend einer Gesellschaft oder Szene gehört.

6. Die österreichische Kulturpolitik unter Minister Gehrer geriet in der letzten Zeit unter argen Beschuss. Wie sehen Sie die Entscheidung Österreichs in der Frage der Klimt-Bilder?

Helnwein: Das ist offensichtlich der Preis den wir für die Schweinereien unserer Vorfahren zahlen müssen. Es hätte seit dem Kriegsende viele Chancen gegeben, faire und für Österreich angenehmere Lösungen in derartigen Fällen zu finden, aber die Vertreter dieses Landes, die sich durch eine unglaubliche Präpotenz ausgezeichnet haben, dachten sich wahrscheinlich, das sitzen wir aus.

Victor Matejka, Wiens erster Kultustadtrat nach dem Krieg, hat damals an die Politiker appelliert, alle österreichischen Künstler und Wissenschaftler im Exil zu kontaktieren, sich bei ihnen zu entschuldigen und sie, zumindestens als Geste, einzuladen, wieder zurückzukommen und am Aufbau Österreichs mitzuwirken. Man hat ihn als Spinner verlacht.

7. Könnten Sie sich vorstellen, wieder nach Wien zurückzukehren?

Helnwein: Die räumliche und zeitliche Distanz hat meinem Verhältnis zu Wien sehr gut getan. Es hat mir sehr geholfen, die Qualitäten dieser erstaunlichen Stadt zu erkennen und das will ich lieber nicht gefährden.

8. Sie sind vor kurzem Großvater geworden. Gratulation! Sie sind sicher der coolste Grand-Daddy seit Mick Jagger. Wie fühlen Sie sich dabei?

Helnwein: Im Grunde meines Herzens bin ich ein Süditaliener ich brauche immer eine grosse Familie um mich herum und ich fühle mich erst wohl, wenn es nur so wurlt von Kindern und Hunden. Leider braucht die heutige Jugend eine Ewigkeit um sich fortzupflanzen, aber nun hat mein Ältester endlich einen Anfang gemacht. - Es ist ein Mädchen und heisst Cree, (geschrieben wird es: Croí )- ein altes Irisches Wort das in vielen Gedichten und Liedern vorkommt. Es heisst Herz.